Stellungnahme zum Verfahren gegen die Letzte Generation

Fünf Mitgliedern der Gruppe „Letzte Generation“ wird auf der Grundlage von Paragraph 129 StGB vorgeworfen, sich der „Bildung einer kriminellen Vereinigung“ schuldig gemacht zu haben.

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Weil sie als Teil der „Letzten Generation“ Öl-Pipelines den Hahn zugedreht, den Flugverkehr gestoppt und den Alltag unterbrochen haben, läuft gerade gegen fünf Klima-Aktivisti ein Verfahren: Die Staatsanwaltschaft Neuruppin prüft, ob sie auf Grundlage des § 129 StGB (Gründung einer kriminellen Vereinigung), dem sog. „Mafia-Paragraphen“, Anklage gegen sie ergehen möchte. Es handelt sich dabei um das akuteste Beispiel für staatliche Repression gegen gewaltfreien Protest für Klimagerechtigkeit in Deutschland. Das Bündnis „Menschen gegen Öl“ unterstützt die beschuldigten Aktivisti und schafft Aufmerksamkeit für dieses Verfahren. In den vergangenen Wochen hat es dazu aufgerufen, bis zum 28.03. Stellungnahmen zu der potentiellen Anklage gegen die Aktivisti der LG zu verfassen und bei der der Staatsanwaltschaft Neuruppin einzureichen – diese müssen bei der Entscheidungsfindung berücksichtigt und in die entsprechende Akte aufgenommen werden. Mehr dazu findet ihr auf der Homepage von „Menschen gegen Öl“: https://www.menschengegenoel.org/

Wir als Christians for Future Hamburg sind diesem Aufruf gefolgt und haben am vergangenen Mittwoch, dem 27.03. unsere eigene Stellungnahme eingereicht. Hier könnt ihr sie nachlesen:


Stellungnahme zum Aktenzeichen 326 Js 14549/22

Sehr geehrte Staatsanwaltschaft Neuruppin,

fünf Mitgliedern der Gruppe „Letzte Generation“ wird auf der Grundlage von Paragraph 129 StGB vorgeworfen, sich der „Bildung einer kriminellen Vereinigung“ schuldig gemacht zu haben. Es ist in unseren Augen ein falsches Signal, dass nun erwogen wird, ausgerechnet gegen die Personen vorzugehen, die seit Jahren darauf hinweisen, dass die Bundesregierung mit ihrer Politik offenen Rechtsbruch begeht: Sie setzt sich über die Grundrechte hinweg, die durch Artikel 20a GG verfassungsrechtlich gesichert sind. Ein solches Vorgehen gegen Klimaaktivisti lenkt die öffentliche Debatte um die Klimaproteste weg von den tatsächlich schwerwiegenden Problemen, vor denen die Menschheit derzeit steht.

Die „Letzte Generation“ verfolgt mit ihren Aktionen die Absicht, ein Bewusstsein für die bereits begonnene Klimakatastrophe zu schaffen. Gleichzeitig schlägt sie klimapolitische Maßnahmen vor, die möglichst sozial gerecht sind und alle Schichten der Gesellschaft miteinbeziehen. Dadurch soll das Überleben der nächsten Generationen gesichert und die Demokratie gestärkt werden. Wir finden: Das sind nicht die Ziele einer „kriminellen Vereinigung“! Und wir fragen uns: Wie konnte es überhaupt so weit kommen, dass die Regierung angesichts der größten Krise der Menschheit so wenig Handlungsbereitschaft und Kommunikation an den Tag legt?

„Klimaaktivisten – angeführt von der moralischen Stimme junger Menschen – haben ihre Ziele auch in den dunkelsten Tagen weiter verfolgt. Sie müssen geschützt werden und wir brauchen sie jetzt mehr denn je“, so äußerte sich vor einigen Monaten der Sprecher des UN-Generalsekretärs António Guterres. Doch anstatt Schutz, erleben Klima- und Umweltaktivisti weltweit das Gegenteil: Immer häufiger sind sie Gewalt und staatlicher Repression ausgesetzt. Auch wir, als eine christliche Klimagerechtigkeitsgruppe, die im Gegensatz zur „Letzten Generation“ selbst keinen zivilen Ungehorsam praktiziert, sehen besorgt auf diese Entwicklung.

In seinem Sendschreiben „Laudate Deum“, das sich der Klimakrise widmet, äußerte sich Papst Franziskus so über klimaaktivistische Gruppen: Seiner Ansicht nach würden sie eine „Lücke in der Gesellschaft als Ganzer“ füllen, „die einen gesunden Druck ausüben müsste“, damit nicht die Zukunft der Menschheit aufs Spiel gesetzt würde. Dieser Einschätzung können wir nur beipflichten! Ohne einen Klimaaktivismus, der laut, auffällig und unbequem ist, kann nicht der „gesunde Druck“ erzeugt werden, der nötig wäre, um einen Politikwechsel herbeizuführen, den es so dringend braucht, um die drohende Klimakatastrophe einzudämmen.

Ob es sich bei dem stets gewaltfreien Protest der Gruppe tatsächlich um juristisch relevante Straftaten handelt, kann und soll von uns nicht beurteilt werden. Als Christ*innen fühlen wir uns jedoch neben den menschlichen Gerichten auch einer höheren Gewalt gegenüber verantwortlich, die uns lehrt, einen universalen Gerechtigkeitsbegriff zu vertreten und unsere Stimme gegen das Unrecht zu erheben. Die juristische Verfolgung von Menschen, die sich mit Hilfe von zivilem Ungehorsam ebenfalls gegen das herrschende Unrecht einsetzen, führt nicht nur zu einer Verstärkung der Ignoranz in Bezug auf die Klimakatastrophe – durch sie wird der Rechtsstaat selbst zu einem Werkzeug des Unrechts!

Wir Christians for Future Hamburg befürchten, dass unser Rechtssystem durch die Kriminalisierung von Klimaprotesten seine eigentliche Funktion verliert und mehr zu einer Schädigung des Allgemeinwohls beiträgt als zu seiner Verbesserung. Wir fordern, dass diejenigen vor Gericht gebracht werden, die die Zerstörung unserer Lebensgrundlagen zu verantworten haben, und nicht diejenigen, die für ihren Erhalt kämpfen. Darum appellieren wir mit Nachdruck an Sie, von einer weiteren Kriminalisierung der „Letzten Generation“ und einer Anklage der Beschuldigten auf Grundlage des § 129 StGB abzusehen!

Mit freundlichen Grüßen,
Christians for Future Hamburg

Hamburg, der 27.03.2024

erschienen: 27.03.2024 (zuletzt bearbeitet: 03.04.2024)
#Letzte Generation #Klimaaktivismus
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